Dienstag, 19. Juni 2007

Hinter den Kulissen des Sportjournalismus

Wien. Michael Kuhn ist Präsident von Sports Media Austria und eine lebende Legende im Österreichischen Sportjournalismus. Er hat die Sportberichterstattung in der Kronenzeitung und im ORF seit den 1960er Jahren neu erfunden. Er sprach mit Günter Baumgartner und Michael Vielhaber, zwei Studenten des Universitätslehrgang Sportjournalismus, über deren Zukunft und Perspektiven:

Was muss ein angehender Sportjournalist heute an Ausbildung mitbringen?
Früher hat man jenen Journalisten, die ein spezifisches Universitätsstudium hatten, vorgeworfen, dass sie Theoretiker sind. Offenbar wird der Praxisbezug bei akademischer Ausbildung inzwischen forciert. Man muss viel Talent, viel Zeit und Hartnäckigkeit haben. Außerdem sollte man damit rechnen, dass die Ehe oder Beziehung kaputt gehen kann, weil man ständig zur Verfügung stehen muss.

Welche Aspekte sind bei der Ausbildung besonders wichtig?
Eine ethische Ausbildung ist wichtig. Wenn ich heute meine scharfen Artikel aus dem Jahre 1960 nachlese, bemerke ich, wie vorsichtig man mit der Wortwahl sein muss. Man kann jemanden auch kritisieren, ohne ihn zu beleidigen. Ich glaube gerade an der Universität kann man ein Gefühl für Ethik entwickeln. Außerdem ist es gut, wenn man gewisse Fachkompetenzen zu einem Medium mitbringt. Wir haben damals geglaubt, dass wir gut sind. In Wirklichkeit mussten wir alles erst mühsam lernen. Es ist also gut, eine Basis zu haben.

Praxis sollte man schon während des Studiums bei Praktika und Volontariaten sammeln?
Ja, das wäre ideal: Eine theoretische Ausbildung und die praktische parallel dazu. Es ist aber zeitaufwändig und vor allem sind solche Praktika schwer zu bekommen. Die meisten Unternehmen haben zu sparen und das macht sich auch bei den Mitarbeitern spürbar.

Wie rekrutieren diese dann ihren Nachwuchs im Bereich der journalistischen Mitarbeiter?
Manche Zeitungen betreiben eigene Journalistenausbildung, was ich für äußerst wichtig halte, weil man sich dann den Einkauf von teuren Journalisten erspart. Das ist wie im Fußball, entweder man kauft die teuren Stars ein, oder man installiert Nachwuchszentren.

Wie hat sich der Sportjournalismus im Laufe ihrer Karriere verändert?
Die Ausweitung des Fernsehens war ein gravierender Einschnitt, weil sich die Zeitungen anpassen mussten. Früher waren die Zeitungen die Platzhirsche, was die geschrieben haben, galt als Dogma. Inzwischen mussten sie das System der Berichterstattung umstellen und allgemein anders arbeiten. Das Fernsehen ist heute so gut, dass die Zeitungen wohl wieder vermehrt zu Kommentaren übergehen, also zu Meinungsjournalismus. Das fehlt dem Fernsehen, weil es eher zur Objektivität verpflichtet ist.

Was waren die wichtigsten Ergebnisse beim Kongress der AIPS (International Sports Press Association) Mitte Mai in Bregenz?
Man muss befürchten, dass die Medien bald für ihre Berichterstattung bezahlen müssen. Das Fernsehen ist unter anderem daran Mitschuld, weil der Inhaber von Übertragungsrechten einer Veranstaltung bevorzugt behandelt wird. Außerdem wird die Zahl der zu akkreditierenden Journalisten bei Großveranstaltungen wie Olympia immer größer. Dadurch steigt auch für die Veranstalter der finanzielle Einsatz, weil sie erstklassige Sitze zur Verfügung stellen müssen, die sie teuer verkaufen könnten.

Wie wird sich das dann auf die Medien auswirken?
Reine Berichterstattung wird frei sein, aber jede Zusatzleistung wie die Benützung des Pressezentrums wird teuer sein. Kronenzeitung oder der ORF können sich das leisten, aber viele andere nagen am Hungertuch. Allerdings vereinfacht das Fernsehen dem schreibenden Journalisten wiederum die Arbeit, weil man dort einfach mehr sieht. Trotzdem: Wenn ein Journalist nicht vor Ort ist, kann er die Atmosphäre nicht einfangen und gerade das ist für einen guten Artikel sehr wichtig.

Wer bestimmt die Trends im Sportjournalismus?
Die Redaktionen entwickeln sich permanent und es hängt auch davon ab, ob sich das Medium als Fach- oder als Unterhaltungsmedium versteht. Es gibt Sportarten, die wunderbar anzusehen und auszuüben sind, aber nicht dafür geeignet sind, beschreiben zu werden. Es ist für einen Journalisten schwieriger über einen Snowboard-Wettkampf zu berichten als das Interesse am alpinen Skisport zu stillen.

Beim Universitätslehrgang Sportjournalismus beträgt der Frauenanteil 25%, ist es für Frauen schwieriger in diesem Berufsfeld Fuß zu fassen?
Eine Frau hat es natürlich schwerer. Es gibt sie in unserem Beruf nur vereinzelt. Der Prozentsatz, den der Lehrgang hat, wird in der Praxis des Sportjournalismus nicht erreicht. Das ist schade, weil der Zugang einer Frau ein anderer ist. Eigentlich ist es völlig egal ob Mann oder Frau, wenn jemand gut schreiben kann und das Gefühl dafür hat.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei Sports Media Austria?
Insgesamt hat SMA 750 Mitglieder. Der weibliche Anteil liegt bei etwa zehn bis 15 Prozent.

Ihre Meinung zum aufkeimenden Onlinejournalismus?
Erstens schafft er neue Arbeitsplätze. Viele neue Mitglieder der SMA kommen aus diesem Bereich. Dabei stellt sich nun die Frage: Wer ist ein Journalist? Ist einer, der für den Toni Polster eine Homepage macht Journalist? Ich kann es nicht sagen, aber diese Leute sind existent und man kann sie nicht wegleugnen, wegschieben und sagen: Die können nix, die machen nur eine Homepage für den Polster. Das ist ein völlig neuer Bereich und es bleibt abzuwarten, wie er sich entwickelt.

Sinkt durch den Onlinejournalismus und die einhergehende Informationsflut die Qualität?
Durch die Quantität sinkt nicht unbedingt die Qualität, aber der Wahrheitsgehalt. Jeder schreibt von jedem ab. Viele der Jungen betrachten das Internet als den Götzen des Sportjournalismus. Sie sind nicht mehr bereit raus zu gehen und sich eine blutige Nase zu holen. Ich glaube das Internet wird sich immer auch selbst reinigen, schlecht gemachte Seiten verschwinden.

In wieweit verändert sich der Journalismus durch Nachrichtenagenturen und Internet?
Manche Journalisten von heute schreiben alles ab, was sie auf den Schreibtisch bekommt, sie wollen nicht mehr selbst recherchieren. Früher waren sie gezwungen selbst mehr zu erarbeiten. Klarerweise holt man sich Basismeldungen von Agenturen oder aus dem Internet, aber dann muss selbst weiterrecherchiert werden.

Als wie problematisch beurteilen Sie die so genannte „Verhaberung“.
Das ist gerade in einem kleinen Land wie Österreich ein Problem, wo man einander eher kennt als in Deutschland oder England. Du kennst in dem Beruf fast jeden Spitzensportler und wirst zwangsläufig mit ihm gut. Ich halte auch trotz Bekanntschaft oder Freundschaft eine Distanz für wichtig.

Wie können Journalisten zu einer positiven Stimmung mit Hinblick auf die EURO 08 beitragen?
Die Stimmung kann man nicht künstlich erzeugen, da muss das Produkt da sein. Die Leute springen ohnehin sofort an, wenn die Nationalmannschaft einmal halbwegs gut spielt. Ich glaube, dass sich die Leute dessen gar nicht bewusst sind, was die Euro für ein tolles Ereignis ist. Das wird erst zwei Monate vor Beginn ausbrechen. Man muss sich nur vor Augen führen, wie erbarmungslos in Deutschland oder England die Nationalteams nach Misserfolgen niedergeschrieben werden. Da sind wir ja harmlos dagegen.

Also eine Begeisterung wie in Deutschland bei der WM 2006?
Es werden sehr viele ausländische Fans kommen. Auch solche, die keine Karte haben. Daher spielt sich auch außerhalb des Stadions auf den Fanmeilen viel ab. In Wirklichkeit sind wir, was Fußballbegeisterung betrifft, ein bisserl fad. Journalisten könnten ihren Teil zur Euphorie beitragen. Man muss ja nicht unbedingt wie ein gekaufter Schreibsklave etwas schönfärben, aber man kann auch Kritik von einem positiven Zugang her finden.


Links:
International Sports Press Association (AIPS)
Sports Media Austria (SMA)
Universitätslehrgang Sportjournalismus, Salzburg

Günter Baumgartner und Michael Vielhaber für sport inside

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