Montag, 23. Juli 2007

„Athleten kann man züchten“

Andrea Schlager, Caroline Drobik, Florian Warum, Dominik Stecher, Michael Seif und Andreas Habringer haben mit Günter Gmeiner über Doping gesprochen:


Nächstes Jahr stehen die Olympischen Spiele in Peking auf dem Programm. Was wird uns in China in Bezug auf Doping erwarten?

Günter Gmeiner: Man kann nicht ausschließen, dass es in China bereits Programme gibt, die Athleten heranzüchten. Die abgeschottet von jeglichen Kontrollen sind, die dann bei den Olympischen Spielen als saubere Sportler auftreten werden und womöglich die Goldmedaille holen. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) versucht seit Jahren, „weiße Flecken“ auf der Landkarte zu erschließen.

Oft scheint die WADA mit ihren Kontrollen einen Schritt zu spät zu sein. Warum?


Günter Gmeiner: Zurzeit ist kein Nachweis von synthetischem Kreatin und Testosteron möglich. Ein Wachstumshormon ist ebenfalls schwer nachweisbar, vor allem bei niedriger Dosierung. Man sollte die Leistungssteigerung nicht verallgemeinern, da es auch sehr auf die Physiologie des Sportlers ankommt, aber Doping kann Leistungen bis zu zehn Prozent steigern. Im Leistungssport wäre jedoch schon ein Prozent irrsinnig viel. Das Gen-Doping ist schwer regulierbar, hier wirkt eine Behandlung für ein ganzes Jahr.

In Italien oder Frankreich drohen dopenden Sportlern Gefängnisstrafen. Kann ein strengeres Anti-Dopinggesetz helfen, Doping aus dem Sport zu verbannen?


Günter Gmeiner: Ein dopender Sportler ist in Österreich kein Straftäter – im Gegensatz zu Italien und Frankreich. Es wird also der „Dealer“, der der die Mittel verabreicht und verschreibt zur Verantwortung gezogen, nicht der Dopende. Und ich finde das gut so, dass der Sportler nicht kriminalisiert wird. Dopende Sportler sollten nicht als Verbrecher dargestellt werden, sondern das Umfeld, von wo er die unerlaubten Mitteln her hat.

Weg vom Leistungssport: Wie stark glauben Sie, dass Doping im Breitensport verbreitet ist?


Günter Gmeiner: Es gibt im Breitensport sicher Tendenzen, seine Leistungen durch Nahrungsergänzungsmittel aufzubessern. Jedoch spricht man in diesem Fall nicht von „Doping“, da Freizeitsportler keine Kaderathleten sind. In Fitness-Studios ist Doping sicher ein Thema. Studien zeigen, dass etwa 10-15 % der Freizeitsportler Dopingmitteln nehmen.

Wird genügend zur Prävention bei Jugendlichen gemacht?

Günter Gmeiner: Es könnte viel gemacht werden als Prävention in Schulen. Man müsste hergehen und sagen: ‚Seht her, so gesundheitsschädigend ist das’. Vor allem in der Wachstumsphase ist das ein Wahnsinn für den Körper und den Hormonhaushalt. Warum gibt es den Kampf gegen Doping? Erstens wäre es für Eltern unverantwortlich, ihre Kinder zum Sport zu schicken. Zweitens würde der Sport an Glaubwürdigkeit und Image verlieren, was kein Sponsor mehr finanzieren würde.

Doping entwickelt sich zu einem echten Wirtschaftsfaktor. Kennen Sie die Hintergründe?

Günter Gmeiner: Es gibt Gerüchte, dass es im Doping eine Art Seidenstraße gibt. Man weiß relativ genau, wo beispielsweise Anabolika synthetisiert wird, wo Doping herkommt. Ähnlich wie bei den Drogen. Speziell beim Internethandel kann dem Zoll nur durch Zufall ein Fang gelingen.

Wie sieht es mit Doping im Alltag aus? Managern oder Ärzten sind in ihrem Berufsleben ständig hohem Druck ausgesetzt.

Günter Gmeiner: Bei anderen Bevölkerungsgruppen ist Doping völlig legitim. Musiker der Philharmonika (v.a. Streicher) nehmen Beta-Blocker, um beim Anstrich nicht zu zittern. Niemand würde auf die Idee kommen, Philharmonika zu kriminalisieren. Auch Manager und Ärzte nehmen Mittel, um länger konzentriert arbeiten zu können. Doping muss also relativiert werden. Hier wird Doping zur Leistungssteigerung auch von der Gesellschaft akzeptiert. Jedoch stellt der Sport andere Ansprüche an sich, nämlich Fairness und die Stärkung der Gesundheit.

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